Whisperer in the Dark
Leute machen Dinge kompliziert. Darin waren sie schon immer gut. Wenn man sich jede funktionierende Zivilisation anschaut, sieht man Chaos, Verwirrung und Frustration. Es können Menschen, Xi’an, Banu, Vanduul oder sonst wer sein. Wir sehen vielleicht verschieden aus, sind anders gebaut, im Grunde findet man aber bei uns allen die selben Unsicherheiten, Ängste und Sorgen, die an uns nagen.
Tonya Oriel betrachtete das gähnende Nichts vor dem Fenster. Kacelis Adagio in 4 hallte sanft durch das sonst leere Schiff. Die Scanner, auf der Jagd nach markierten Anomalien, rotierten durch ihre jeweiligen Spektren.
Die Leere. Sie war rein. Sie war simpel. Sie war permanent.
Eine ruhige Gelassenheit legte sich um Tonyas Schultern wie eine Decke; die Art, die nur existieren kann, wenn man die einzige Person im Umkreis Tausender von Kilometern ist. Jeder andere konnte Terra, die Erde oder Titus haben, mit ihren vor Menschen strotzenden Megastädten. Nie gibt es dort einen Moment, indem sich keine weitere Person über, neben oder unter euch befindet. Alles war Lärm. Tonya brauchte die Stille.
Ihr Schiff, die Beacon, streifte durch diese Stille. Tonya hatte fast jeden Hardpoint und Pod mit irgendeiner Art Scanner, Tiefenraum-Kommunikationssystem oder Überlebenstechnologie ausgestattet, um weiter und weiter von dem Lärm wegzukommen.
Das Problem war, dass ihr dieser Lärm folgte.
****
Nach drei Wochen im Drift konnte Tonya es nicht länger herauszögern. Es wurde Zeit für eine Versorgungstour, während der sie die Daten und Mineralien verkaufen würde, die sie gesammelt hatte. Nach Reparaturen, neuen Filtern und einem Spectrum-Update hoffte sie, noch genug für etwas zu Essen übrig zu haben.
Der Xenia Shipping Hub im Baker System, kam in den letzten fünf Jahren ihrem Zuhause am nächsten. Tonya stellte ihren Anflug durch das sich ständig ändernde Muster ankommender und abfliegender Schiffe ein. Der Verkehr rund um die Station war geschäftiger als üblich. Sobald die Beacon angedockt hatte, summte ihr Bildschirm mit einer Hand voll neuer Nachrichten aus dem Spectrum. Sie leitete diese an ihr mobiGlas weiter und begab sich zur Luftschleuse.
Tonya hielt am Eingang an, genoss den letzten Moment der Einsamkeit, während der Luftschleusen-Zyklus lief und drückte dann den Knopf.
Die Geräusche von Menschen schwappten ins Innere wie eine Welle. Sie brauchte eine Sekunde, um sich zu aklimatisieren, rückte ihre Tasche zurecht und trat in die Masse hinein.
Carl betrieb ein kleines Informationsnetzwerk von seiner Bar aus, dem Torchlight Express. Als alter Erzsucher, der für eine nicht mehr existente Terraforming-Firma gearbeitet hatte, tauschte Karl bewegliche Mineralien gegen Alkohol und Informationen. Tonya kannte ihn seit Jahren. Was Menschen betraf, war Carl ein Juwel.
Im Express war nichts los. Tonya überprüfte die Ortszeit. Es war Abend, also gab es keinen wirklichen Grund, warum dem so war. Eine Gruppe von Erzsuchern saß an einem Tisch in der Ecke und befand sich in einer gedämpften Konversation. Carl lehntean der Bar und schaute ein Sataball-Spiel auf einem Bildschirm an der Wand. Seine ledrigen Finger trommelten einen Takt, der ihm im Kopf herumzuschwirren schien.
Sein Gesicht erhellte sich, als er Tonya sah.
“Nun, nun, nun, wie kommen wir zu der Ehre, Doktor?” sagte er mit einem Grinsen.
“Fang gar nicht erst an, Carl.”
“Sicher, sorry, Doktor.” Ihm musste langweilig sein; so nannte er sie nur, wenn er Streit anfangen wollte. Tonya ließ ihre Tasche zu Boden gleiten und setzte sich auf einen Barhocker.
“Irgendwas interessantes?” sagte Tonya, während sie ihre Haare zurückband.
“Mir geht´s gut, Tonya, danke der Nachfrage. Das Geschäft ist aktuell etwas ruhiger, aber du weißt ja, wie es ist” sagte Carl sarkastisch und schob ihr einen Drink zu.
“Komm schon, Karl. Ich werde dich nicht mit Smalltalk langweilen.”
Carl seufzte und schaute sich um.
“Mittlerweile ist mir jeder willkommen, der auch nur ein bisschen zu sagen hat.” Er goss sich mit dem Getränkespender ebenfalls einen Drink ein. Tonya drehte ihr mobiGlas herum und zeigte ihm ihre Frachtliste. Er las sie sich durch. “Diesmal etwas leichter beladen, hmm?”
“Ich weiß. Kennst du irgendwelche Käufer?”
“Wie viel willst du dafür haben?”
“So viel, wie ich kriegen kann,” sagte Tonya und nahm einen Schluck. Sie sah, dass diese ausweichende Nicht-Antwort Carl ärgerte. “Ich brauche das Geld.”
Nach einer langen Pause sagte er “Ich könnte dir möglicherweise zehn geben.”
“Für zehn würde ich dir mein ungeborenes Kind geben.”
“Mit all den ungeborenen Kindern, die du mir schuldest, solltest du mal lieber anfangen,” sagte er. Tonya boxte gegen seinen Arm.
Einer der Erzsucher kam mit leeren Gläsern in Richtung der Bar. Er war jung, einer dieser Typen, die das “Dreckig attraktiv”-Aussehen pflegten. Vermutlich hatte er eine Stunde darauf verwendet, den Look zu perfektionieren, bevor er aufgebrochen war.
“Noch ne Runde.”
Während Carl die Drinks nachfüllte, schaute der Erzsucher Tonya an und gab seinem Aussehen die Chance, seine magische Arbeit zu tun. Vergebens. Carl stellte eine frische Runde Drinks hin. Der Erzsucher bezahlte und zog sich leicht abgeschreckt zu seinem Tisch zurück.
“Ich glaube, da mag dich jemand,” frotzelte Carl.
“Nicht mein Typ.”
“Lebendig?”
“Exakt.” Tonya betrachtete die Erzsucher. Sie waren wirklich in ein geheimnistuerisches Gespräch vertieft. “Hast du eine Ahnung, warum sie hier sind?”
“Natürlich weiß ich das.”
“Ja? Worüber sprechen sie?”
“Nichts…nunja, zumindest sprechen sie nicht mit mir.” Carl zog sich ein Ohrteil aus dem Ohr und reichte es ihr. Tonya wischte es ab und hörte hinein. Plötzlich konnte sie ihre Stimmen laut und klar hören. Tonya schaute Carl verblüfft an.
“Du hast Mikrofone auf deinen Tischen?!” flüsterte sie. Carl bedeutete ihr zu schweigen.
“Ich handle mit Informationen, Süße, also ja.” sagte Carl, fast schon beleidigt, dass er sie angedeutet hatte, er würde seine Kunden nicht belauschen.
Tonya nahm einen weiteren Schluck und hörte den Erzsucher zu. Er dauerte nur eine kurze Zeit, damit sie auf dem neusten Stand war. Scheinbar hatte Cort, der Erzsucher, der versucht hatte, Tonya mit seinem Charme zu verzaubern, einen Tipp von seinem Onkel in der UEE Navy erhalten. Der Onkel hatte Such- & Rettungsübungen im Hades System abgehalten, als ihre Scanner aus Versehen eine Kheriumader auf Hades II entdeckt hatten. Als Militärangehörige hatten sie natürlich nichts davon, aber Cort und seine Kumpels waren versessen darauf, sich reinzuschleichen und sich das Erzvorkommen zu sichern.
Kherium war ein beliebtes Gut. Wenn es diese Erzsucher wirklich drauf hatten, hatten sie ein kleines Vermögen vor sich. Sicher ausreichend, um die Beacon zu reparieren und vielleicht sogar ein paar Updates zu installieren.
Und was noch besser war, sie hatten offensichtlich keine Ahnung, wie sie es finden sollten. Kherium taucht auf den üblichen Metall- und Strahlungsscans nicht auf. Es braucht einen Spezialisten, um es zu finden und vor allem, um es zu extrahieren, ohne es zu verunreinigen. Zum Glück für Tonya wusste sie, wie man beides machte.
“Du hast diesen Blick drauf.” sagte Carl und füllte ihr Glas auf. “Gute Nachrichten?”
“Ich hoffe doch, Carl, für uns beide.”
****
Carl lud ihre Fracht zu einem reduzierten Preis aus, sodass sie sich so schnell wie möglich wieder auf den Weg machen konnte. Als sie zuletzt geschaut hatte, waren die Erzsucher immer noch im Express und nach dem, was sie so hörte, würden sie dort auch noch für ein paar Stunden bleiben, vielleicht sogar noch einen Tag.
Tonya dockte die Beacon ab und befand sich endlich in der von ihr geliebten Einsamkeit. Die Triebwerke summten, als sie tiefer ins All verstieß, in Richtung einer Lebensader.
Das Hades System war ein Grab, das letzte Monument eines antiken Bürgerkriegs, der ein ganzes System und die darin beheimatete Rasse ausgelöscht hatte. Es befand sich bereits auf Tonyas Liste der Orte, die sie studieren wollte, aber jedes Jahr überfielen Horden junger Wissenschaftler für ihre Disserationen oder Schatzjäger das System, um nach der Waffe zu suchen, die Hades IV in zwei Hälften geschossen hatte. Dadurch füllte sich das System mit noch mehr Lärm, den es für Tonya zu meiden galt.
Tonya musste sich eingestehen, dass der Vorbeiflug an Hades IV immer einen Nervenkitzel darstellte. Man kann ja nicht jeden Tag das Innere eines Planeten sehen, der in der Blüte seines Lebens vernichtet worden war.
Und dann gab es noch das Geflüster, dass es in dem System spuken würde. Es gab immer irgendeinen Piloten, der einen Typen kannte, der jemanden kannte, der etwas gesehen hatte, als er durch das System geflogen war. Die Geschichten reichten von unerklärten, technischen Fehlfunktionen bis hin zu vollen Sichtungen von Geisterschiffen. All das war Schwachsinn.
Es gab einen lockeren Strom von Schiffen, die durch Hades flogen. Die allgemeine Schiffsflugroute hielt sich von den zentralen Planeten fern. Tonya verlangsamte ihr Schiff, bis es eine beträchtliche Lücke im Verkehrsfluss gab, bevor sie in Richtung Hades II abdrehte.
Sie passierte eine Barriere aus toten Satelliten und sank in die wogende Atmosphäre von Hades II. Die Beacon wurde durchgerüttelt, als sie auf die Wolken traf. Die Sichtweite reduzierte sich auf Null und plötzlich war das Schiff von Lärm, schrillenden Luftströmen und Druck umgeben. Tonya hielt ihren Blick auf die Zielcomputer gerichtet und erhöhte die Reichweite ihrer Annährungsalarme, um sicherzustellen, dass sie keinen Berg rammen würde.
Plötzlich lichteten sich die Wolken. Die Beacon stieß in die niedrige Schwerkraft über einem pechschwarzen Ozean herab. Tonya kalibrierte ihre Triebwerke schnell für den Atmosphärenflug und ließ einen langen Blick über den Planeten unter ihr schweifen.
Wie erwartet, war es ein ausgehöhlter, felsiger Ball. Es gab Zeichen für intelligente Zivilisation, aber all diese zerbröckelten, waren verbrannt oder zerstört. Sie überflog weitläufige, gewölbte Städte, die auf ausgedehnten Bögen gebaut worden waren, damit die Gebäude den Planeten nicht direkt berühren würden.
Tonya blieb auf Reisehöhe. Das Röhren ihrer Triebwerke hallte durch die weite, leere Landschaft. Die Sonne war ein weiteres Opfer des Endes des Systems. Die Wolkensysteme lösten sich nie auf, sodass die Oberfläche nie das Sonnenlicht sah. Sie war immer in einen dunklen, grauen Dunst gehüllt.
Tonya studierte die Topografie, um einen Kurs zu berechnen und aktivierte die Scanner, die sie auf die einzigartige Kherium-Signatur eingestellt hatte. Sie aktivierte den Autopiloten und schaute einfach aus dem Fenster.
Jetzt wo sie hier war, warf sie sich vor, nicht früher hergekommen zu sein. Es war egal, dass dies einer der am intensivsten wissenschaftlich untersuchten Orte des UEE war. Als sie die Ausmaße der Zerstörung mit ihren eigenen Augen sah, spürte Tonya den selben Ruck, den ein gutes Mysterium auf den Intellekt hatte. Wer waren sie? Wie hatten sie es geschafft, sich so effizient selbst auszulöschen? Woher wissen wir, dass sie sich wirklich komplett ausgelöscht haben?
Einige Stunden vergingen, ohne dass sie Glück bei ihrer Suche hatte. Tonya nahm einen schnellen Snack zu sich und ging ihr Trainingsprogramm durch. Sie überprüfte die Einstellungen ihrer Scanner ein weiteres mal, um Fehler bei der Ersteingabe auszuschließen. Einige Monate zuvor hatte sie einen Planeten untersucht und dabei nichts gefunden, nur um auf dem Rückflug zu merken, dass eine Einstellung falsch gewesen war, die den ganzen Scan wertlos gemacht hatte. Es ärgerte sie immer noch. Es war ein Anfängerfehler gewesen.
Sie rief ein paar Texte über Hades auf. Auf halbem Weg durch ein Paper über die Exobiologie über die Hadesianer, leuchtete ihr Bildschirm auf. Innerhalb eines Herzschlags saß Tonya davor.
Die Anzeige zeigte verblassende Spuren von Kherium unter ihr an. Sie überprüfte die Einstellungen ein drittes Mal, bevor sie sich Hoffnungen machte. Sie sahen korrekt aus. Sie schaute nach vorne. Vor ihr lag eine kleine Stadt, unter der sich ein endloses Meer aus toten Bäumen erstreckte. Es sah so aus, ob ein Orbital-Laser oder etwas ähnliches massive, tiefe Krater in den Boden und die Gebäude gestanzt hatte.
Tonya schaute genauer hin. Die Krater reichten etwa 200 Meter in den Boden hinein und offenbarten Netzwerke aus unterirdischen Tunneln. Diese sahen aus wie Teil eines Transportsystems.
Tonya suchte nach einem geeigneten Landeplatz, der Schutz vor Schiffen bieten würde, die über sie fliegen könnten. Wenn sie immer noch hier wäre, wenn die Erzsucher auftauchten, wäre ihr Schiff ein offensichtlicher Hinweis und die Sache würde ziemlich kompliziert werden.
Sie zog sich ihren Umweltanzug und Atemgerät an. Sie konnte ihre Schiffsscanner von ihrem mobiGlas bedienen, fügte jedoch auch noch einen tragbaren Scanner/Kartierer ihrer Bergbauausrüstug hinzu, nur um sicher zu gehen. Zum Schluss aktivierte sie noch ihre Transportkiste, in der Hoffnung, dass die Anti-Gravitationsmodule ausreichen würden, um das Kherium zurück zum Schiff zu schaffen.
Tonya schritt nach draußen auf die Oberfläche. Der Wind heulte um sie herum und wirbelte Staub auf. Sie schob die Kiste vor sich durch den verbrannten Wald. Knorrige Äste kratzten an ihrem Anzug, während sie an ihnen vorbei schritt. Die Stadt ragte über ihr auf, schwarze Silhouetten gegen die grau-grünen Wolken.
Ihre Neugier überwältigte sie, also nahm Tonya eine Rampe in die Straßen der Stadt hinauf. Sie sagte sich, dass der Umweg gut für die Batterien der Transportkiste sein würde. Glatte Straßen wären für die Anti-Gravitationskompensatoren einfacher zu analysieren als unebenes Gelände.
Tonya bewegte sich durch die öden, leeren Straßen in Ehrfurcht. Sie studierte die seltsamen Bögen der Architektur; jeder davon zeigte ein fremdes, aber trotzdem brilliantes Verständnis von Druck und Gewichtsverteilung. Der gesamte Ort wirkte gleichzeitig natürlich und seltsam, intellektuell faszinierend und emotionell auslaugend.
Die Kherium Singatur war immer noch schwach, aber sie war da. Tonya manövrierte die Kiste um zerstörte, tränenförmige Fahrzeuge herum. Einschusslöcher und sonstige Zeichen in den Gebäuden und Straßen ließen sie vermuten, dass hier ein Kampf stattgefunden hatte, wenn auch vor hunderttausenden von Jahren.
Der Krater, der dem Kherium am nächsten lag, war ein perfektes Loch, welches durch die Mitte der Stadt in den Boden gestanzt war. Tonya stand an der Kante und suchte nach dem einfachsten Weg nach unten. Die Kiste könnte runterschweben, aber sie würde klettern müssen.
In wenigen Minuten hatte sie ein Seil mit Sicherungen für sich und die Kiste befestigt. Sie ließ sich über die Kante gleiten und seilte sich an der bloßen Wand ab. Die Kiste machte den Abstieg, der eigentlich hätte leicht sein sollen, etwas komplizierter. Die Anti-Gravitationsmodule bedeuteten, dass jede Form der Krafteinwirkung dazu führen würde, dass die Kiste davongleiten könnte, also musste Tonya ständig eine Hand an der Kiste haben. Um die Angelegenheit noch schlimmer zu machen, nahm der Wind auch noch zu und wehte kleine Steine, Äste und Trümmerstücke durch die Luft.
Ein schriller Schrei gellte durch die Luft. Tonya erstarrte. Sie hörte ihn ein weiteres Mal und schaute sich nach der Quelle um. Der Schrei wurde lediglich von freiliegenden Stützstrukturen erzeugt, die sich im Wind bogen.
Plötzlich wurde ihr klar, dass die Kiste ihrem Griff entglitten war. Sie glitt langsam in Richtung der Kratermitte, während der zunehmende Wind sie wie ein Spielzeug umher wirbelte. Tonya streckte sich, um sie zu erreichen, aber die Kiste befand sich nun knapp außerhalb ihrer Reichweite. Sie stieß sich von der Wand ab und schwang sich durch die wogende Luft. Ihre Fingerspitzen erreichten knapp die Kiste, bevor sie zurück an die Kraterwand knallte.
Ihr Blick trübte sich und sie konnte aufgrund des Aufpralls nicht mehr atmen. Ihr HUD spielte verrückt. Endlich kam sie wieder zu Atem. Sie nahm sich ein oder zwei Moment Zeit, bevor sie ihren Abstieg fortsetzte.
Die Scanner der Beacon konnten die Signatur des Kheriums nicht noch klarer isolieren, um die Tiefe zu bestimmen, also musste Tonya sich auf ihr Handgerät verlassen. Es schien, als ob sich das Kherium zwischen zwei Tunneln befand.
Tonya sicherte die Kiste, kletterte in den oberen Tunnel und löste ihre Seile. Sie überprüfte den Zustand ihres Anzugs inmitten des Trümmer-Sturms. Der Computer spielt noch ein wenig verrückt, gab ihr aber das OK.
Sie schaltete eine Taschenlampe an und aktivierte die externen Mikrofone ihres Anzugs. Der Tunnel war eine perfekt in den Fels geschnittene Röhre, die sich in der Dunkelheit verlor. Tonya sah keinerlei Energie- oder Schienensysteme, um ihre Transportsystem-Theorie zu bestätigen. Sie begann, zu laufen.
Stunden vergingen in der Dunkelheit. Tonya hatte ein flaues Gefühl im Magen, entschied sich also, sich für ein paar Minuten auszuruhen. Sie nahm einen Schluck von ihrem Wasservorrat und überprüfte nochmal ihre Scanner. Sie befand sich immernoch über dem Kherium und es wurde noch immer vor ihr angezeigt. Diesbezüglich hatte sich nichts geändert.
Sie hörte etwas. Sehr leise. Sie öffnete die Audioeinstellungen und erhöhte die Soundverstärkung an den externen Mikrofonen. Ein Meer aus weißem Rauschen füllte ihre Ohren. Sie bewegte sich nicht, bis sie das Geräusch nochmal hörte. Etwas, das gezogen wurde und dann aufhörte.
Infrarot- und Nachtsichtfenster erschienen in den Ecken ihres HUDs. Sie konnte nichts sehen. Durch riesigen Ausmaße der Tunnel konnte man nur vermuten, welche Strecke das Geräusch zurückgelegt hatte. Trotzdem ging sie zur Kiste und holte die Schrotflinte heraus. Sie stellte sicher, dass sie geladen war und versuchte sich an den Zeitpunkt zu erinnern, als sie das letzte Mal einen Grund hatte, die Waffe zu benutzen.
Tonya begann, sich vorsichtig weiter zu bewegen. Sie bezweifelte, dass es die Erzsucher waren. Soweit sie wusste, könnten noch andere Schmuggler oder Piraten hier unten sein. Egal, sie würde kein Risiko eingehen.
Der Tunnel wurde langsam breiter, bevor er in eine ausgedehnte Dunkelheit führte. Nicht mal Tonyas Nachtsichtgerät konnte das Ende erfassen. Sie wühlte in ihrer Ausrüstung und fand ein paar alte Fackeln. Sie entzündete eine davon.
Es war eine Stadt. Eine Spiegelstadt, um genau zu sein. Während sich die Stadt auf der Oberfläche dem Himmel entgegen reckte, war diese runter in Richtung Planetenkern gemeißelt. Brücken verbanden die verschiedenen Strukturen, die aus den Wänden der vielen Ebenen geschlagen worden waren. Von so etwas hatte sie noch nie gehört. Jedermann vermutete, dass ein Bürgerkrieg das System zerstört hatte. War dies eine Stadt der anderen Seite?
Sie erreichte eine Kreuzung und das erste Zeichen, dass der Kampf auch hier stattgefunden hatte. Eine Barrikade aus geschmolzenen Fahrzeugen blockierte einen der Tunnel. Die Wände waren durch Explosionen oder Laserschüsse verbrannt worden. Selbst ein Schatten schien in die Wand eingebrannt worden zu sein.
Tonya stand davor. Der Hadesianer schien eine rundlichen, massiven Körper mit mehreren dünnen Anhängseln gehabt zu haben. Ein tausend Jahre alter Fleck auf einer Wand ist kein richtiger Beweis, aber selbst als Silhouette sah es angsteinflößend aus.
Eine höhlendurchzogene Struktur war in the nahe Wand eingebaut worden. Tonya nähert sich, um die Handarbeit zu begutachten. Es war definitiv kunstvoller als die meisten anderen Gebäude hier unten. Hier gab es keine Türen, nur enge, ovale Portale. In die Seiten schien eine Art Technologie eingebaut worden zu sein.
Tonya entschied sich, einen Blick hinein zu werfen. Es war eine tiefe Schale mit Reihen voller Einfassungen, die in die Seiten eingebaut worden waren. Alle davon waren auf einen einzigen Punkt, einen marmorähnlichen Zylinder am Boden der Schale ausgerichtet. Tonya stieg hinab. Darauf befand sich ein kleiner Gegenstand. Sie zielte mit ihrer Schrotflinte und Taschenlampe weiterhin darauf. Er bestand aus einem ähnlichen marmorähnlichen Stein wie der Zylinder. Tonya schaute sich um. War das eine Art Kirche?
Sie beugte sich nach unten, um einen besseren Blick auf den Gegenstand werfen zu können, vorsichtig, damit sie nichts störte. Es war eine kleine Schnitzerei. Es war keine hadesianische Form. Keine Form, die ihr bekannt war. Sie wägte ab, ob sie sie mitnehmen sollte.
Tonya war es plötzlich schwummrig zumute. Sie stolperte zurück und stützte sich auf den Einfassungen ab. Nach einigen Momenten war es vorrüber. Ein schleichender Schmerz begann in ihrem Arm zu brennen. Sie streckte ihn und versuchte das Brennen zu lösen. Sie warf einen letzten Blick auf die kleine Schnitzerei.
Tonya trat aus dem kunstvollen Gebäude hinaus und nahm ihren Scanner zur Hand. Das Kherium befand sich in der Nähe. Sie folgte den Richtungsanweisungen des Scanners in die dunklen und verschlungenen Tunnel. Ihre Augen auf das zunehmende Leuchten des Bildschirms geheftet. Sie stolperte über etwas. Der Scanner fiel scheppernd zu Boden. Eine Minute lang hörte man das Echo noch.
Tonya schüttelte leicht ihren Kopf. Dieser Ort … Sie schwenkte ihre Lampen zurück, direkt in das Gesicht einer verwesenden Leiche, deren Mund in einem stillen Schrei aufgerissen war.
“Hölle!” schrie sie, als sie davon wegrobbte. Sie schaute sich um. Eine weitere Form befand sich auf dem Boden, etwa sieben Meter entfernt. Eine Schließkasette befand sich zwischen ihnen. Der erste Schock verging.
Tonya stand auf, packte ihren Scanner und begab sich zu dem ersten Körper. Sein Schädel war aufgebrochen worden. Dort war jedoch keine Waffe. Kein Knüppel oder Stange in der Nähe. Das war seltsam. Der andere hatte sich offensichtlich selbst erschossen. Die Waffe befand sich immernoch in seiner Hand. Sie waren definitiv menschlich und basierend auf ihrer Kleidung waren sie vermutlich Erzsucher oder Piraten. Sie wusste nicht, welche Arten von Elementen sich in der Luft befanden, also konnte sie keine verlässliche Schätzung abgeben, wie lange sie schon tot waren, aber sie ging von Monaten aus.
Sie schlurfte zur Schließkasette zurück und trat sie auf. Kherium. Bereits extrahiert und vorsichtig eingepackt. Süße Erleichterung drängte sich an ihrer Erschöpfung vorbei.
“Danke Jungs.” Tonya gab ihnen einen kurzen Salut. “Sorry, dass ihr nicht hier seid, um es zu teilen.” Etwas blitzte in ihrem IR-Fenster auf.
Tonya hob ihre Schrotflinte auf und zielte. Es war weg. Ihre Atmung wurde schnell und flach, während sie wartete. Ihr Finger schwebte über dem Abzug. Sie drehte die Audioverstärkung ihrer externen Mikrofone ein weiteres Mal hoch und scannte die Halle. Die ganze Zeit sagte sie sich, sie solle sich beruhigen. Beruhige dich.
Jede Bewegung ihres Anzugs wurde in ihren Ohren um das Hundertfache verstärkt. Sie folgte den Tunneln mit der Waffe im Anschlag und suchte nach dem, was auch immer sich hier drinnen mit ihr befand. Etwas kam durch das statische Rauschen. Nah.
“Willkommen zuhause,” zischte es.
Tonya feuerte in die Dunkelheit. Sie drehte sich um. Dort war nichts. Sie drehte sich noch ein weiteres Mal um und feuerte trotzdem. Die Schüsse jagten die Lautsprecher in ihrem Helm hoch. Sie griff sich die Schließkasette und rannte.
Sie rannte durch die rutschigen, geneigten Tunnel, die in tiefes Schwarz getaucht waren; und nun in totale Stille. Sie kam an der Kreuzung vorbei, wo der Hadesianer immer noch seine Arme angsterfüllt nach oben gestreckt hielt. Immer wieder schaute sie zurück. Sie konnte schwören, dass dort etwas war, gerade außerhalb der Infrarotkamera, das sie durch das statische Rauschen hindurch beobachtete.
Tonya sprintete eine Anhöhe hinauf und sah das durch Wolken zerstreute Licht des Ausgangs. Ihre Beine brannten. Ihr Arm war wie tot. Alles was sie tun wollte, war schlafen zu gehen, aber sie würde nicht anhalten. Sie wusste, dass wenn sie anhielt, sie diesen Ort nie wieder verlassen würde.
Sie zog sich am Seil hinauf und rannte durch den verbrannten Wald zurück zur Beacon. 30 Sekunden später verbrannten die Triebwerke die Erde. Eine Minute später durchbrach sie die Atmosphäre.
Während Hades II hinter ihr zurück fiel, versuchte sie, ihre Nerven zu beruhigen. Ihr Umweltanzug drehte sich langsam am Haken in der Dekontaminationskammer. Sie bemerkte etwas.
Die Atmungssysteme am Rücken des Anzugs waren beschädigt. Der Fall in den Krater musste das verursacht haben. Er hatte die Zuleitungen beschädigt und sie hatte zu viel Sauerstoff eingeatmet. Die Kopfschmerzen, die Übelkeit und Erschöpfung … selbst diese Stimme. Auch wenn sie bei dem Gedanken daran immer noch innerlich zu Eis erstarrte. All das waren vermutlich Halluzinationen und Reaktionen auf die Sauerstoff-Vergiftung gewesen.
Vermutlich.
Tonya setzte einen Kurs zurück zum Xenia Shipping Hub in Baker. Klar, sie hatte Güter zu verkaufen, aber gerade wollte sie einfach nur unter Leute kommen.
Sie wollte von Lärm umgeben sein.
Hinten in der Dekontaminationskammer befand sich die winzige hadesianische Schnitzerei auf dem Boden.
Ende
Quelle: RSI
Übersetzung: StarCitizenBase
Social Media: FaceBook | Twitter | Community Hub | Spectrum
Ach, du bist so genial – ich habe das mit dem “Living” – Lebendig – einfach nicht kapiert. Jetzt wo ich es lese, habe ich gerade den innerlichen mega-facepalm-of-death, weil mir völlig unklar ist, wieso ich diesen netten Dialog nicht verstanden habe. Manchmal hat man einfach ein Brett vor’m Kopf, man….
Hm, da werde ich das Hörbuch wohl noch mal in einer korrigierten Version hochladen die nächsten Tage ^^
Lieben Dank für deine Arbeit und einen schönen Sonntag!
Astro
Vielen Dank für das Lob 🙂
Ja, das mit manchen Formulierungen in solch “künstlerischen” Texten ist manchmal so eine Sache^^ Ich habe auch schonmal für einige Dinge 20 Minuten in diversen Übersetzern nachgeschaut, bis ich verstanden habe, dass die Übersetzung viel simpler war 😀
Das war ja richtig zu spannend zu lesen. Die einzige Frage die mich noch umtreibt – was für ein Schiff ist die Beacon 🙂
Schwer zu sagen, da es die meisten Schiffe noch nicht gab, als die Story geschrieben wurde. Es ist ein Schiff, das man alleine fliegen kann. Es hat sehr gute Scanner aber ist auch in der Lage zumindest rudimentär zu minen. Wenn ich mir die heutigen Schiffe anschaue, würde ich so etwas wie die Terrapin oder die Prospector vermuten.
Zumindest in der darauf folgenden Story ist ihre “Beacon II” eine Freelancer. Da die Geschichte hier von einer Luftschleuse und einer Dekontaminationskammer spricht bzw. schreibt, würde ich ebenfalls von einer lancer ausgehen.
darauffolgende Story? Im welchen jumppoint stand die denn schon?
Die darauf folgende Story ist die hier: https://robertsspaceindustries.com/comm-link/spectrum-dispatch/12857-The-Lost-Generation-Issue-1
cool, danke 🙂
muss ich mal bei gelegenheit lesen 🙂