Orbital Supermax: Episode VI

In Kooperation mit dem StarCitizenHQ veröffentlichen wir jeden Sonntag eine übersetzte Folge der Spectrum Dispatch Geschichten.

Diese Woche geht es mit Episode VI der Kurzgeschichte Orbital Supermax von Jordan Ellinger weiter.

Hier geht’s zu den restlichen Episoden: I, II, III, IV, V, VI, VII, VIII, IX, X, XI

Und jetzt wünschen wir Euch viel Spaß beim Lesen!


Orbital Supermax: Episode VI

Als Ex-Quartiermeister auf OSP-4 habe ich meinen Anteil an Leichen gesehen. Entgegen dem landläufigen Glauben lagern wir die Körper von im Gefängnis gestorbenen Männern nicht ein.

Stattdessen beginnt mit jedem Tod eine genaue Untersuchung und ich war dafür verantwortlich, den ganzen medizinischen Bedarf und irgendwelche anderen exotischen Bestandteile zu besorgen, die die Pathologen für ihre Untersuchungen brauchten.

Ich habe Körper von Männern gesehen, die durch andere Gefangene erstochen oder mit Bleirohren zu Tode geprügelt worden sind. Und ich habe sogar einen Mann gesehen, der in einem der Heizungskanäle stecken geblieben war und dann langsam zu Tode gekocht wurde.

Der Anblick, der sich mir und der kleinen Gruppe von entkommenen Gefangenen in der forensischen Psychiatrie bot, war allerdings anders als alles, das ich je gesehen hatte.

Leichen: Männer und Frauen, manche trugen Wärteruniformen, andere die dünne Abendbekleidung der Patienten. Einige der Gesichter waren zu einer Masse purpurfarbenen Fleisches geschlagen, andere waren erkennbar.

Einige lagen friedlich gegen eine Wand gelehnt, während andere den Blick des Entsetzens in den Augen hatten. Jemand hatte die Oberlichter zerstört und Stücke zerbrochenen Glases waren auf dem Fußboden verstreut.

Ich hörte Cayla Wyrick schluchzen. Sie kniete neben einem jungen Mann mit entzündeten roten Striemen auf der Wange und starr gefrorenem Schrecken in seinen kalten, toten Augen. Sie sagte etwas zu ihm, das ich nicht richtig hören konnte, bemerkte aber, dass sie etwas Privatsphäre brauchte. Ich verließ sie und schloss mich Wes Morgan an, dem Söldner, den wir aus dem Hochsicherheitstrakt gerettet hatten und weiter unten im Gang stand.

“Fühlst du das?” fragte er.

“Existenzieller Terror? Ja, ich bin auch hier.”

“Nein”, er atmete tief ein. “Die Mischung der Luft ist in diesem Flügel anders. Der Angriff von Kapitän Kilkenny muss den Luftaustauscher beschädigt haben. Es gibt zu viel Stickstoff und zu wenig Sauerstoff.”

“Und das kannst du riechen?”

“Nein”, gab er zu. “Aber ich fühle mich ein wenig betrunken. Du nicht? Das ist eines der Zeichen für eine Stickstoffnarkose. Wir müssen Herby finden und so schnell wie möglich hier raus.”
Ich drehte mich um und schaute auf das halbe Dutzend Männer in orangenen Overalls. Sie waren alle bewaffnet, viele mit Gefängnistätowierungen auf Gesicht und Händen. Einer von ihnen, den sie einfach “Shank” nannten, hatte das Weiß seiner Augen gefärbt, so dass er uns tiefschwarzen Augäpfeln anstarrte. Nicht der Typ Männer, denen man noch mehr Hiobsbotschaften verkünden wollte.

Sie waren sozusagen der Feind unseres Feindes. Und wir waren irgendwie zu dem Entschluss gekommen, dass es am besten war, zusammen zu bleiben, so lange wir alle vermeiden wollten, die nächste Mahlzeit der Nova Dogs zu werden. Wortwörtlich. Sie waren Kannibalen. Jetzt begann die Entscheidung etwas riskanter zu wirken.
“Was machen wir mit ihnen?”

“Nichts”. Morgan hob eine Augenbraue und sah über seine Schulter. “Schau sie dir an. Bei der Waffenkammer haben sie noch abwechselnd versucht, das Alphamännchen untereinander auszumachen. Und jetzt? Sie haben mehr Angst vor Kilkenny, als vor uns. Wenn Kilkenny nicht wäre, hätten sie uns beiden bereits in den Rücken geschossen…” Seine Augen wanderten zu Wyrick, die neben einem der anderen Körper kniete. “… und ihr hätten sie noch schlimmeres angetan.”

Er hatte natürlich Recht. Die Schlimmsten von diesem Haufen waren mit Fat Max zurückgeblieben. Ich hatte keine Zweifel, dass Martin Kilkenny sie längst erwischt hatte. Der Rest von ihnen… sie waren nicht mehr als eine kopflose Schlange. Nicht so spannend wie eine Lebende, aber auch nicht so tödlich.

Unsere kleine Gruppe machte sich auf den Weg durch die forensische Psychiatrie. Es war kein großer Bezirk, aber die Gänge waren einander sehr ähnlich. Und es gab ziemlich viele doppelt gesicherte Türen, die zerschlagen worden waren – oft unter persönlichem Einsatz des Angreifers, wie die blutigen Reste auf der Türen andeuteten. Immer wieder hörten wir Gelächter – ein gestörtes, freudloses Gelächter, das so unfreiwillig wirkte wie ein Niesen.

Schließlich fanden wir eine der Quellen des Gelächters: einen schlanken Mann mit gelblicher Haut, der von Verbändern überzogen war, die er aus einem umgestürzten medizinischen Wagen gestohlen hatte. Er versuchte verzweifelt, die Wunden an seinen Händen und Handgelenken zu verbinden.

Wyrick kniete sich hin, um ihm ihre Hilfe anzubieten. Sie schreckte jedoch zurück, als der wahnsinnige Mann ihr seine Handgelenke entgegenstreckte und sie das Metallarmband sah, das an einem von ihnen baumelte. Sie stolperte in meine Arme zurück und für einen Moment roch ich Sandelholz und Rosen. Ich erinnerte mich daran, wie sie ihr Parfüm früher am Tag aufgetragen hatte. Ich hätte nie vermutet, dass ein Piratenangriff alles auf den Kopf stellen würde.

“Was ist los?” fragte ich.

“Seine Uhr hat einem Freund von mir gehört”, sagte sie ruhig. Ihre Hand umschloss meinen Arm so stark, dass es schmerzte, aber ihre Augen fixierten die des Patienten.

Es war offensichtlich, dass der Leichnam ihres Freundes jetzt den Gang hinter uns schmückte… Einer der Gefangenen – Relic, wenn ich mich richtig erinnerte – war zu derselben Erkenntnis gekommen. Vor nur ein paar Stunden hatte er uns noch mit seinem Reparaturwerkzeug wie mit einer Waffe bedroht, aber das “um-dein-Leben-davonrennen” vor einer Gruppe von Kannibalen ist eine verflixt zusammenschweißende Erfahrung. Es war nicht so, als würde er sich um Wyrick sorgen, vielmehr sah er sie als Teil seines Rudels an. Und jede Gefahr für sein Rudel war auch eine Gefahr für ihn.

Er packte den Mann am Bausch seines Operationshemds und drückte den Lauf seiner Waffe in dessen Wange. Als der Mann außer mit Gekicher nicht reagierte, feuerte Relic mit der Waffe gegen die Wand und drückte dann das jetzt zischende, heiße Metall wieder auf denselben Punkt. „Du bist ein toter Mann. Er ist ein toter Mann.“

Wyrick fing an zu weinen und ich drückte sie noch enger an mich.

Der verrückte Mann begann zusammenhangslos zu murmeln und Relic wirbelte zu ihm herum. Ich konnte erkennen, dass mehrere Injektionsnadeln in seinem Rücken steckten. „Norden, Osten, Süden, Westen. Es ist Westen, oder? Nur nicht gerade. Westen, Westen, Westen. Ich bin auf high, Wes, oben im Himmel, ich bin high. Du musst mir helfen, Wes, bevor ich falle.“

Morgan hatte seine Waffe in dem Moment angelegt, in dem sich Relic bewegt hatte, aber jetzt blinzelte er und senkte sie. „Herby?“

Die Augen des Mannes verdrehten sich und sein Kopf neigte sich schlaff zur Seite.

Morgan kam zwei Schritte näher. „Bist du das? Was zum Teufel ist mit dir passiert?“

Relic blickt mit so geweiteten Augen zwischen den beiden hin und her, dass ich das Weiß darin vollständig sehen konnte. Seine Waffe wechselte von dem Mann, von dem wir nun vermuteten, dass es Konicek war, zu Morgen selbst. „Du kennst ihn? Macht ihr gemeinsame Sache?“ Er drehte sich zu seinen Mitgefangenen um. „Wir sind in eine Falle gelockt worden. Es dreht sich alles um ihn.“

Morgans Augen verengten sich und seine Hand umklammerte die Waffe, „… nur was zum Teufel?“

Ich erinnerte mich daran, was Morgan über die Atmosphäre gesagt hatte. „Relic,“ fing ich an und verwendete seinen Namen, um ihn zu beruhigen. „Es gibt keine Falle. Das ist der Mann, den wir gesucht haben. Er ist der Grund, warum wir hier sind.“

Wyrick drückte sich von mir weg und ich merkte plötzlich, wie sehr ich ihre Nähe genossen hatte. „Ihr Freund hat meinen Freund umgebracht“, sagte sie. Ihre Stimmung hatte sich augenblicklich von Verzweiflung in verbitterte Wut geändert. „Wir nehmen ihn nicht mit.“

Die Wut von Morgan war von seinen anderen Gefühlen kaum zu unterscheiden, außer dass sie kälter war. Härter. Ich wusste, dass er, wenn ich nicht eingriff, Relic ohne Vorwarnung niederschießen würde und wir uns dann unseren Weg sowohl durch seine Freunde als auch die Patienten kämpfen müssten.

“Jetzt, Caylie… Cayla”, korrigierte ich mich schnell. Ich war gegen die veränderte Luft in dieser Station nicht immun. “Es gibt keine Beweise dafür, dass er ihn getötet hat. Diese Nadeln in seinem Rücken… offensichtlich wurde er unter Drogen gesetzt und zwar von jemanden ohne medizinische Ausbildung.”

“Du hast zehn Sekunden, um die Waffe wegzulegen”, sagte Morgan. Er rieb den Daumen und Zeigefinger seiner waffenlosen Hand kreisend gegeneinander und der Gewehrlauf wechselte unmerklich die Richtung. Ich hatte den Eindruck, er hatte einen Vorteil gegenüber Relic und nicht andersherum.

Vielleicht erkannte Relic das auch, sein Ton war fast flehend. “Er ist ein Irrer. Es wäre eine Gnade… eine Gnade für all diese Männer…”

Als er seine Waffe schwenkte, als würde er die komplette Station umspannen wollen, schoss Morgan ihm sauber durch die Schulter. Relics Waffe fiel scheppernd zu Boden und er selbst war so überrascht, dass er ihr folgte.

Ich stieß sie weg, bevor er seine Sinne zurückgewinnen konnte. Wyrick folgte mir einen Moment später und riss Relics Overall auf, um die Wunde zu untersuchen. Sie musste sich keine Sorgen machen. Wenn Morgan ihn hätte töten wollen, hätte er es getan. Ich war mir sicher, dass die Wunde nicht tödlich war, höchstens eine vorübergehende Unannehmlichkeit.

“Lass mich dir helfen, Herby”, sagte Morgan. Nacheinander zog er ihm die Nadeln aus dem Rücken. Er schlug dem ehemaligen Patienten leicht auf die Wange, nicht bereit, seine ganze Kraft zu nutzen.

“Wir müssen hier raus, Wes” murmelte Konicek. “Sie sind überall.”

Morgan nickte und ich tat einen Seufzer der Erleichterung. Wir hatten den richtigen Mann gefunden und es sah so aus, als würden wir hier alle heil rauskommen. Ich erhob mich und stand fünf schweren Männern und ihren Gewehrläufen gegenüber. Unwillig zu glauben, dass sie die Waffen auf uns richteten würden, drehte ich mich um und entdeckte einen Haufen Menschen weiter hinten im Gang. Ein Dutzend Männer oder mehr standen am anderen Ende in blutbefleckten Schürzen, viele mit getrocknetem Sabber darauf.

“Ihr könnt jetzt alle eure Waffen auf den Boden legen”, sagte einer der Gefangenen hinter mir.

Ich begriff, dass die Waffen tatsächlich auf uns gerichtet waren. Wes hatte zwar das Leben von Relic verschont, das sahen sie aber offenbar anders. Einer von uns hatte auf einen von ihnen geschossen. Unsere kleine Allianz brach gerade auseinander.

Meine Waffe fiel zu Boden. Wyrick sah zu den Gefangenen. Ihr Gesicht war zu feucht für Tränen und ich begriff, dass wir alle schweißgebadet waren, obwohl es hier nicht viel wärmer war als irgendwo anders in der Station. War das ein weiteres Symptom der giftigen Atmosphäre?

Morgan hatte seine Waffe nicht fallen lassen. “Und wie glaubt ihr, an denen vorbeizukommen?“ fragte er und nickte über seine Schulter.

Ein magerer Mann mit zu wenig Zähnen sprach. “Sie sind nicht bewaffnet. Wir werden auf dieselbe Weise an ihnen vorbeigehen, auf die wir an euch vorbeigehen.” Er lächelte und zeigte damit sein auffälligstes Merkmal.

“Ihr kommt nicht von der Station – ohne sie”, sagte ich und deutete auf Wyrick. Ohne ihre Codes ging keiner von uns irgendwohin.

“Sie haben Recht”, sagte Wyrick. Morgan und ich sahen zu ihr hinüber. Sie sprach nicht mit den Gefangenen. Sie sprach mit uns. “Keiner von Euch.”

Sie tat einen zitternden Atemzug und streckte ihre Arme aus, als stabilisiere sie sich auf den Armlehnen irgendeines Throns. Dann wandte sie sich zu den Gefangenen. “Ob es Ihnen gefällt oder nicht, ich bin die einzige Hoffnung, die Sie haben. Alle von Ihnen. Das bedeutet, dass, wenn wir zusammenbleiben, wir auch zusammenbleiben. Ich schlage also vor, Sie legen Ihre Differenzen bei. Sofort!”

Damit drehte sie sich um und führte uns den Gang hinunter. Vielleicht war es die veränderte Atmosphäre, aber wir folgten ihr, als wäre sie Moses, der durch das Rote Meer spazierte. Und ich will verdammt sein, wenn sich diese Patientengruppe vor uns nicht einfach teilt und uns durch lässt, ohne viel mehr als ein Wimmern von sich zu geben.

 

Quelle: RSI
Übersetzung: StarCitizenHQ (Chase Hunter)
1. Korrektur: StarCitizenHQ (Map2950)
2. Korrektur: StarCitizenBase.de (Priar)

Priar

Sic itur ad astra.

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